Jonathan Boutin im Interview mit dem ehc::live
Der EHC Freiburg hatte schon Import-Goalies mit großem Körper, zum Beispiel den unvergessenen Tim Knudsen. Und welche mit phantastischen Reflexen: Eddi Ma-sal-skisss! Am 23. Oktober hat einer unterschrieben, der viel Netz abdeckt und flinke Hände hat. Jonathan Boutin, geboren 1985 in Quebec/Kanada, misst 1,88 Meter und knapp zwei Zentner. Während der D-Cup-Pause haben wir mit ihm gesprochen, auf Deutsch, Englisch und Französisch, mit Händen, und vor allem mit Füßen.
ehc::live: Hi Jonathan, alle Welt nennt Dich Boots. Warum eigentlich?
Boutin: Grinst. Steht auf. Zeigt auf seine Füße. Sagt: Darum. Schuhgröße 49.
ehc::live: Tatsächlich, das sind keine Ballerinas, was Du da trägst. Für Dich gibt's leichtere Dinge als Schaufenstershopping vor Schuhläden.
Boutin: Na ja, im Internet finde ich manchmal etwas.
ehc::live: Lebt Deine ganze Familie auf so großem Fuß?
Boutin: Nein, das ist das Seltsame daran. Mein großer Bruder trägt nur 46, und der ist 1,92 Meter. Auch mein Vater und meine Mutter haben normale Füße. Einen Vorteil hat die Sache aber. Steht nochmals auf, stellt Ferse an Ferse und klappt die Fußspitzen nach außen: Wenn ich das mache, reichen meine Füße fast von Pfosten zu Pfosten. Wahrscheinlich bin ich deshalb Torhüter geworden.
ehc::live: Und nicht der Schlechteste! Du wurdest 2010, 2012 und 2013 im Trikot der Lausitzer Füchse als bester Goalie der Liga ausgezeichnet. Trotzdem haben sie Deinen Vertrag im April nicht verlängert. Warum?
Boutin: Wegen dem Pfeifferschen Drüsenfieber. Das hatte ich vorletzte Saison, und es macht Dich echt fertig. Die ganze Zeit fühlst Du Dich müde, müde, müde. Ich hatte das zwölf Wochen lang. Als ich ins Team zurückkam, war mein Stammplatz natürlich weg. Später hab ich ihn zwar wieder erobert, aber die Chemie im Team und drumrum hatte sich verändert. Nach drei Jahren im Viertelfinale wurden wir nur Neunter, hatten keine richtig gute Saison. Und wenn es nicht läuft, ist es eben am einfachsten, auf den Goalie zu zeigen.
ehc::live: Also kein Weißwasser mehr. Aber warum kamst Du nicht woanders unter?
Boutin: Mein Ziel war die DEL, es gab dahin auch einige Kontakte. Also habe ich auf Angebote der DEL-Clubs gewartet. Aber es kamen keine, weil die mich nicht als Import-Goalie wollten, sondern nur mit deutschem Pass. Und ich bin zwar seit sechs Jahren in Deutschland, habe meine Sprachprüfungen aber erst am 4. und 9. Dezember in Weißwasser.
ehc::live: Und wenn Du die schaffst, bist Du ratzfatz Deutscher?
Boutin: Von wegen. Dann beginnt der Papierkram. Deutschland ist damit schnell, aber die Kanadier lassen sich richtig Zeit. Das kann bis zu einem halben Jahr dauern. Ich hoffe, dass ich den Pass Anfang nächster Saison habe.
ehc::live: Seit Mitte März kein Eishockey – wie hast Du die Zeit überbrückt?
Boutin: Ein bisschen Eishockey war schon noch dabei. Ich habe zwei Mal die Woche mit der Lausitzer DNL2-Mannschaft trainiert. Im wesentlichen habe ich aber gelernt : Deutschunterricht, von Montag bis Freitag jeden Tag fünf Stunden. Und nachmittags war ich jeden Tag zum Wakeboarden in Halbendorf. Das ist das Aufregendste, was die Lausitz zu bieten hat.
ehc::live: Wie man hört, habt Ihr den Umzug nach Freiburg mit Pferd gemacht, nachdem Du Ende Oktober hier unterschrieben hattest.
Boutin: Wir sind aber nicht die ganzen 800 Kilometer geritten. Das würde nicht gehen, dieses Pferd hört nicht auf mich. Meine Frau kriegt das wesentlich besser hin. Es ist ja auch ihr Pferd, sie macht mit ihm Springreiten und hat schon jede Menge Schleifen gewonnen.
ehc::live: Dann sollten wir eine kurze Schleife durch Deine Biografie drehen. Du stammst aus Quebec, dem französischsprachigen Kanadas, hast die Heimat aber schon in jungen Jahren verlassen.
Boutin: Ich wusste früh, dass Eishockey das Ding meines Lebens ist. Also habe ich mit 16 die Koffer gepackt, als mich Halifax 2001 in einer der drei besten kanadischen Junior Leagues wollte. Danach kam ich in die Farmteams von Tampa Bay und San Jose. Den Sprung in die NHL habe ich nie geschafft. Bei zwei NHL-Spielen saß ich immerhin auf der Ersatzbank. Mit 25 wurde mir klar, dass ich wasganz Neues ausprobieren wollte: Europa!
ehc::live: Daraus wurden dann fünf Jahre Lausitz, plus einem Intermezzo in Norwegen. Wie hast Du zum ersten Mal von einer Stadt namens Freiburg gehört?
Boutin: Ich glaube, durch Jannik Herm, der bis 2013 ja in Weißwasser gespielt hat. Auch der Füchse-Flügel Kevin Lavalleé war mal eine halbe Saison lang hier und hat erzählt, wie schön die Stadt sei. Und schau an, er hat nicht übertrieben. Ich muss aber sagen, dass ich sowieso gerne in Deutschland bin. Mein Frau kommt von hier, das Hockey ist gut, die Fans sind phänomenal, und ich bleibe längst auch im Urlaub hier. Diesen Sommer zum Beispiel waren wir an der Ostsee. Die letzten Antworten kamen auf Englisch, jetzt wechselt Boutin eigenhändig auf deutsch: Man kann sagen, ich mag Deutschland.