EHC verliert den Rekord-Krimi - Bad Tölz erzwingt Spiel 7
Der EHC Freiburg hat das sechste Playdown-Spiel gegen die Tölzer Löwen mit 4-5 nach Verlängerung verloren. Somit steht es in der Best-of-Seven-Serie nun 3-3 und es kommt zum entscheidenden siebten Spiel in Bad Tölz.
Was für ein verrücktes Spiel: Zwischenzeitlich fallen drei Tore innerhalb von zweieinhalb Minuten (bzw. vier Tore in sechs Minuten) – auf den Siegtreffer für Bad Tölz muss die mit weit über 3000 Zuschauern gefüllte Franz-Siegel-Halle dann aber fast ein komplettes „zweites Spiel“ – nämlich 48 Minuten an Verlängerung – warten. Und wie es überhaupt zu dieser Overtime kam, ist dann schon wieder eine Geschichte für sich: 6,9 Sekunden standen noch auf der Uhr, als der EHC auf dramatische Weise gerade das Spiel ausgeglichen hatte.
Die (vorübergehende) Rettung für Freiburg: Ausgleich, sieben Sekunden vor Schluss!
Nachdem Bad Tölz in der 48. Minute mit 4:3 in Führung gegangen war, gestalteten die Löwen ihr Spiel ähnlich wie bei der 4:2-Führung im Schlussdrittel am Dienstag: Man ließ sich nicht nur nach hinten fallen, sondern setzte weiterhin auch Akzente nach vorne. Trainer Scott Beattie hatte in Spiel 5 seiner Mannschaft noch angekreidet, zu offensiv agiert und deshalb den Anschlusstreffer des EHC heraufbeschwört zu haben. Diesen konkreten Vorwurf konnte er ihr heute nicht machen – aber dafür vielleicht einen anderen: Nachdem der EHC scheinbar alle Optionen ausgeschöpft hatte und mit leerem Tor und sechs Feldspielern agierte, unterlief Bad Tölz nämlich ein Kapitalfehler: Statt nach einem Scheibengewinn den Puck einfach ins Freiburger Drittel zu spielen bzw. erst die rote Linie zu überqueren, bevor man zu einem Schuss aufs leere Tor ansetzt, beförderte Yannick Drews, ohne die eigene Spielhälfte verlassen zu haben, den Puck am Freiburger Tor vorbei und beging somit ein Icing. Hierauf folgten die turbulenten Schlusssekunden, die zwei weitere Pfiffe und somit zwei weitere Bullys vor dem Tölzer Tor hervorbrachten. Das letzte der beiden konnte von Brad McGowan gewonnen werden und Alexander Brückmann netzte per Schlagschuss sieben Sekunden vor Schluss zum Ausgleich ein. Somit ging das Spiel beim Stand von 4:4 in die Verlängerung.
Die Entscheidung zu Gunsten von Bad Tölz: „Sudden Death” nach 108 Minuten
Während man über den Verlauf der 48 Minuten an Verlängerung den Spielern verständlicherweise ab einem gewissen Zeitpunkt die Müdigkeit anmerkte – Sprints wurden langsamer, Pässe im Spielaufbau ungenauer, manche Checks unkontrollierter –, bleibt festzuhalten, dass das Spiel nicht nur bis zum bitteren Ende Spannung bot, sondern auch durchaus Action – mit Torchancen auf beiden Seiten.
Eine davon musste zwangsläufig die letzte in diesem Spiel werden – und so waren es die Bad Tölzer, die bei angezeigter Strafe in der 108. Minute innerhalb eines Gerangels vor dem Freiburger Tor die Scheibe über die Linie brachten. Zwar konsultierten die Schiedsrichter mit Verdacht auf Torraumabseits den Videobeweis – der befreiende und frenetische Freiburger Jubel im Stile eines überstandenen Fünf-gegen-Drei, eines Tores kurz vor Drittelende, eines Ausgleichstreffers sieben Sekunden vor Spielende (was dieses Spiel alles schon erlebt hatte) blieb jedoch aus. Der Treffer zählte und schickte somit um 23.40 Uhr nach einer Brutto-Spielzeit von über vier Stunden – und dem damit längsten Spiel in der Vereinsgeschichte des EHC – die Tölzer Löwen als Sieger vom Eis – und ließ in dieser Serie alles wieder ungeklärt: Aus Best-of-Seven wird nun „Best-of-One” – ein einziges Eishockeyspiel um den Sieger dieser Playdown-Runde zu ermitteln – am Sonntag um 18.30 Uhr in Bad Tölz.
Die Wölfe des Abends:
Marc Wittfoth – Brad McGowan – Jozef Balej
So las sich heute erneut die Formation der zweiten Sturmreihe des EHC. Doch was von diesen drei Spielern am heutigen Abend aufs Eis gebracht wurde, war definitiv „Top”: Balej, der – man wird Spiel 7 abwarten müssen – in gewisser Weise der Freiburger Spieler der Serie ist, war in diesem Spiel omnipräsent: Er arbeitete nach hinten mit und setzte durch seine zahlreichen Schüsse erneut offensive Akzente – und das, sei es in der 5. oder 67. Minute.
Als Ganzes war diese Sturmreihe an so vielen Schlüsselszenen des heutigen Spiels beteiligt: Sie durchbrach eine erste Abtastphase des Spiels und kreierte die erste Freiburger Chance, schoss in Person von McGowan zwei Tore (den wichtigen Anschlusstreffer zum 2:3, 27. Spielminute); den Ausgleich zum 3:3, 40.), traf einmal (auch McGowan) die Latte (17.), zog zwei Strafen (beide Wittfoth), von denen die eine direkt McGowans Tor zum 3:3 vorbereitete und gewann (wieder McGowan) zehn Sekunden vor Ende der regulären Spielzeit den Bully, der – mit einer Station über Balej – zum Ausgleichstreffer führte.
Der Fangesang des Spiels:
“Kämpfen bis zum Ende...
für die zweite Liga – EHC!”, war über viele Strecken der Verlängerung hinweg der immer wiederkehrende, herausstechende Gesang der Nordkurve. Er sorgte nicht nur für insgesamt tolle Stimmung in der Halle, die auch die Fans auf den Sitzplätzen über viele Strecken der Verlängerung hin mitriss, sondern fasste auch die Gedanken eines jeden Freiburger Eishockeyfans zusammen – Was bleibt im Moment denn auch noch mehr zu sagen?!
Der Reihe nach
Zu Beginn des Spiels – und bis zum Freiburger Führungstreffer in der 12. Minute – war beiden Mannschaften anzumerken, dass Fehlervermeidung die oberste Devise war. Der Puck wurde stets schnell aus dem eigenen Verteidigungsdrittel befördert und auf beiden Seiten wurde eng am Mann verteidigt.
Dem EHC gelang es in der 5. Minute, sich erstmals im Tölzer Drittel festzusetzen – eine erste ernsthafte Chance entstand jedoch erst im der 9. Minute als Jozef Balej durch einen Querpass von Marc Wittfoth – den Brad McGowan geschickt durchließ – ins gegnerische Drittel geschickt wurde.
Dann kam das 1:0 für den EHC aus relativ unverhoffter Position nach einem Bullygewinn im gegnerischen Drittel: Von nahe der blauen Linie brachte Philipp Rießle die Scheibe aufs Tor, wo Christian Neuert lauerte und zum 0:1 abfälschen konnte (12.). Das Tor öffnete das Spiel ein wenig, jedoch hatte trotz der Führung der EHC die größeren Spielanteile: Das Festsetzen im gegnerischen Drittel funktionierte nun besser und Einzelaktionen in Form von Dribblings von Linsenmaier und Balej brachten dem EHC weitere Chancen ein. Die größte kam jedoch als Seeger von der blauen Linie aus abzog und Sergej Stas beinahe die Scheibe ins Tölzer Tor ablenken konnte. Bad Tölz kam zu zwei weiteren Chancen durch Schlenzer – von denen einer jedoch von Philipp Rießle geblockt (gegen Goldhelm MacAulay) und einer von Jimmy Hertel pariert werden konnte (Sedlmayr).
Zwei Freiburger Fouls, die innerhalb von 40 Sekunden aufeinander folgten (19.), kreierten eine längere Fünf-gegen-drei-Überzahlphase der Löwen, mit der das erste Drittel sein Ende fand. Das Freiburger Dreieck mit Rießle, Havel (die heute ansonsten in unterschiedlichen Reihen verteidigten) und Herm stand dabei unter Dauerbeschuss – mit den Gesängen der Nordkurve, die vom anderen Ende des Eises herüberschallten, kam diesem Unterzahlspiel ein nahezu monumentaler Charakter zu: Dabei parierte Hertel einen Schuss von Löwen-Blueliner Kevin Wehrs und Goldhelm MacAulay traf bei einem One-Timer-Versuch die Scheibe nicht richtig. Als dann inmitten eines Gerangels an der Bande die für die Wölfe befreiende Pausensirene ertönte und die Franz-Siegel-Halle wie bei einem Tor des EHC in kollektiven Jubel ausbrach, wurde jedem der 3279 Zuschauer die Bedeutung dieser Spielsequenz vor Augen geführt. … Umso größer wirkte der Dämpfer gleich zu Beginn des zweiten Drittels, als Bad Tölz nach nur 18 Sekunden – und gerade als Tobias Kunz von der Strafbank zurückgekehrt war - das 1:1 erzielte.
In der 25. Minute begann die oben angesprochene Drei-Tore-Sequenz: Zunächst machte es Bad Tölz dem EHC gleich: Das 1:2 fiel ähnlich wie das 1:0 nach einem Bully im Angriffsdrittel, indem die Scheibe mit für den Torhüter verdeckter Sicht aufs Gehäuse gebracht wurde. Und auch wie das Tor der Freiburger die Wölfe beflügelte, ging Tölz gleich wieder in die Offensive – allerdings kurz und bündig, mit zählbarem Erfolg: Lubor Dibelka, der erneut nicht in der ersten, sondern in der zweiten Reihe stehend, im Stile des Spielmachers kontrolliert ins Freiburger Drittel vordrang, suchte diesmal selber den Abschluss – und traf (1:3; 26.). Doch diesmal folgte die Antwort von Seiten der Mannschaft, die gerade ein Tor kassiert hatte: Marc Wittfoth provozierte mit seinem Durchmarsch zum Tölzer Tor eine Strafe und konnte anschließend vor seinem Gegenspieler die Scheibe unter Kontrolle bringen und bei angezeigter Strafe Brad McGowan vor dem Tor finden, der zum 2:3 traf (27.).
Das gleiche Freiburger Duo war es auch, das fünf Minuten später Ben Meisner zu einer seiner besten Paraden dieser Serie zwang: McGowans Direktabnahme unmittelbar vor dem Torraum vereitelte der Tölzer Keeper bravurös (32.).
Eine Minute später zog Marc Wittfoth das zweite Foul in diesem Drittel, was das bis dato einzige Powerplay des EHC in diesem Spiel hervorbrachte (dieses wurde primär von der gewohnten Formation um Brückmann, Balej und der ersten Sturmreihe bestritten). Nikolas Linsenmaier kam dabei zur einzigen wirklichen Freiburger Chance, als er den Abpraller eines eigenen Schusses jedoch nicht an Meisner vorbeibrachte.Das zweite Drittel fand dann ein ähnlich fulminantes Ende wie das erste – doch diesmal mit zählbarem Erfolg für den EHC: Bei angezeigter Strafe gegen Bad Tölz bauten die Wölfe mit sechs Mann das Spiel vom eigenen Drittel aus auf und etablierten sich im Tölzer Drittel. Nachdem die Scheibe über die Bandenrundung hin- und herbewegt worden war, leitete Nikolas Linsenmaier ein Anspiel direkt auf den rechten Flügel weiter, von wo aus Marc Wittfoth Brad McGowan vor dem Tor fand, der per Direktabnahme die Scheibe ins Tor lenkte – dieser Ausgleichstreffer vom Prädikat „Traumtor” bei Sechs-gegen-fünf verabschiedete beide Mannschaften und eine erneut tobende Franz-Siegel-Halle beim Stand von 3:3 in die zweite Drittelpause.
Das dritte Drittel begann ruhiger – sah aber auf beiden Seiten Chancen nach Puckgewinnen hinter dem gegnerischen Tor: einmal war es dabei Andreas Pauli, der das 4:3 auf seiner Rückhand hatte; einmal initiierte Christian Neuert eine brenzlige Situation vor dem Tor der Löwen.
Kurz nachdem Jimmy Hertel einmal mit der Fanghand parieren konnte, kam Bad Tölz dennoch zum Führungstreffer; und wieder war es ein vermeintlich ungefährlicher Schlenzer von der blauen Linie, der für den Torhüter verdeckt den Weg ins Tor fand (48.) – das zweite Tor dieser Art für Bad Tölz (gegenüber einem auf Freiburger Seite); und es stand 3:4.
Die erste Verlängerung sah zunächst fast ausschließlich Chancen des EHC – was sich ab der 69. Minute jedoch änderte, als Bad Tölz sich mehr Spielanteile erspielte. Ben Meisner zeigte sich einmal mehr als solider Rückhalt der Löwen: Schlagschüsse von Balej (62./67.) und Seeger (67.) konnte er entschärfen und einen abgefälschten Pass von Linsenmaier parierte er spektakulär (68.). Eine weitere brenzlige Situation vor dem Tölzer Tor wurde erst durch die gute Defensivarbeit von Jordan Hickmott vereitelt, der Jannik Herm entscheidend stören konnte (73.)
Die letzten drei Minuten der ersten Verlängerung unterstrichen die wiedergefundene Offensivstärke der Löwen. Diese etablierten sich nämlich zwischenzeitlich im Freiburger Drittel und agierten optisch scheinbar im Powerplay – einer Spielsituation, die die Partie seit den Anfangsminuten des dritten Drittels nicht mehr gesehen hatte und erst in der zweiten Verlängerung wieder zu sehen bekommen würde: In der 88. Minute dieses Spiels sah diese hart umkämpfte Playdown-Serie nämlich ihre ersten Strafen in ihren bis dato 63 Overtime-Minuten. Freiburgs Überzahlspiel blieb jedoch ohne Großchance, während das von Bad Tölz (ab der 92.) eine Schrecksekunde für alle EHC-Fans bereitete, als die Scheibe für kurze Zeit vor Jimmy Hertel im Torraum liegen blieb.
Nach der Entschärfung dieser Situation gelang dem EHC die gefühlt endgültige Befreiung in dieser Spielphase, als man auf der anderen Seite seinerseits zu einer Chance kam – nämlich durch Enrico Saccomani, der bis dahin kaum Eiszeit erhalten hatte, ab dieser Phase nun aber zunächst Christian Neuert und dann später Jannik Herm in der dritten Reihe ersetzte. Diese zweite Verlängerung endete mit einer Verletzung des in dieser Serie noch torlosen Tölzer Erste-Reihe-Stürmers Andreas Pauli, der vorzeitig in die Kabine musste.
Verlängerung Nummer Drei bot weiterhin Chancen auf beiden Seiten – das „bisschen Glück“, das man, so Löwen-Trainer Scott Beattie, in so einem langen Spiel brauche, blieb jedoch Bad Tölz vergönnt. Somit siegten die Löwen mit 5:4 in der dritten Verlängerung. Freiburg hat zwei seiner Matchbälle verspielt – und nun hat Bad Tölz auch einen… Spiel 7 am Sonntag wird die Entscheidung bringen.
Tore:
1-0 (11:45) Christian Neuert (Philipp Rießle, Jannik Herm)
1-1 (20:18) Johannes Sedlmayr (Casey Borer, Jordan Hickmott - PP1)
1-2 (24:09) Andreas Pauli (Stephen MacAulay)
1-3 (25:24) Lubor Dibelka
2-3 (26:37) Brad McGowan (Marc Wittfoth, Jozef Balej - 6:5)
3-3 (39:14) Brad McGowan (Marc Wittfoth - 6:5)
3-4 (48:06) Tyler Gron
4-4 (59:54) Alexander Brückmann (Jozef Balej, Brad McGowan - EA)
4-5 (107:48) Stephen MacAulay (Jordan Hickmott, Johannes Sedlmayr - 6:5)
Strafzeiten: Freiburg 8, Bad Tölz 10
Schiedsrichter: Patrick Gogulla, Carsten Lenhart / Dominic Six, Frederik van Himbeeck
Zuschauer: 3.279
Die Freiburger Aufstellung:
Hertel (Meder)
Seeger, Brückmann / Kunz, Linsenmaier, Moser
Havel, Neher / Balej, McGowan, Wittfoth
Kauppila, Rießle / Herm, Stas, Neuert
Cihak, Saccomani, Bednar