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30.05.2024

Kommunalwahl 2024: Warum zwei EHC-Vorstände antreten - und was sie ändern wollen!

Es ist ein Novum in der Freiburger Sportgeschichte: Am 9. Juni wählt Freiburg seinen nächsten Gemeinderat – und aus dem EHC kandidieren gleich zwei Vorstände für einen Sitz im Stadtparlament, das in den nächsten fünf Jahren über alle öffentlichen Belange in dieser Stadt zu entscheiden hat.

Das Besondere daran: EHC-Präsident Michael Müller und der erste Vorsitzende Werner Karlin treten auf unterschiedlichen Wahllisten an. Müller steht bei den Freien Wählern auf Platz 16, Karlin bei der SPD auf Platz 32. Gibt es bald eine Doppelspitze aus dem Eissport im Freiburger Rathaus? Wir haben mit Michael und Werner gesprochen.

EHC Freiburg: Hallo Michael, Du bist erfolgreicher Unternehmer, seit sechs Jahren Präsident des EHC und seit langem auch auf anderen Bühnen aktiv. Was zieht Dich jetzt in die Politik?

Michael Müller: Eigentlich bin ich mit meinen Aufgaben voll ausgelastet. Ich kandidiere jetzt aber, weil ich mir zunehmend Sorgen um unser Gemeinwesen mache. Es sind so gut wie keine Unternehmer mehr, im Gemeinderat vertreten. Wir diskutieren über Kunst am Bau und überdachen einen Radweg mit Solarmodulen, während unsere Stadt auf 1,7 Milliarden Euro Schulden zusteuert. Schulen, Sportanlagen und Schwimmbäder sind marode. Überall bröckelt es. Politiker sollten an 1.Stelle für den Bürger und seine Interessen da sein, den dafür werden Sie gewählt. Die Aufgabe der gewählten Politiker ist dann, „Ihre“ Politik, mit gesundem Menschenverstand und Toleranz zu gestalten.

EHCF: Aber was kann eine klamme Kommune wie Freiburg denn anders machen?

MM: In Freiburg wird stark auf das Ehrenamt gesetzt, das viele Menschen hier leisten. Das finde ich großartig. Ich bin aber viel im Sport unterwegs und höre immer öfter, dass die Ehrenamtliche allmählich die Lust verlieren, weil der Gemeinderat sie nicht unterstützt, sondern lieber Klientelpolitik betreibt. Unser Geld geht zu oft in Prestige-Projekte, die nur wenigen nutzen. Ich fürchte, dass bald das Regierungspräsidium wegen Überschuldung der Stadtkasse tätig wird. Dabei geht es auch anders. Nehmen wir Baugebiete wie Kleineschholz oder Dietenbach: Da wird sich die Stadt bewegen müssen, sonst wird das nichts. Ohne die vermeintlich „bösen“ Unternehmer, Bauträger und Investoren wird es nicht gehen. Oder wollen wir Bürger, dass die Stadt Freiburg auf 2 Milliarden Euro Schulden zu steuert?

EHCF: Du bist im Stadtteil Weingarten aufgewachsen, der traditionell links wählt. Warum kandidierst Du jetzt bei den Freien Wählern?

MM: Ja, in Weingarten war die SPD lange die stärkste Kraft. Leider kann ich mich nicht mehr mit ihr identifizieren; das liegt vor allem an der Bundespolitik. Vor Ort schätze ich viele Leute von der SPD. Zum Beispiel Stefan Schillinger – der tut was für seinen „Kiez“. Insgesamt kommen mir aber die Freien Wähler am nächsten. Meiner Meinung ist dies die letzte echte Opposition in unserem Gemeinderat. Johannes Gröger und Kai Veser stellen kritische und berechtigte Fragen. Freiburgs CDU ist mir dagegen zu weit nach links gerückt. Sollte ich gewählt werden, trete ich für eine bürgerliche Mitte ein. Die kommt in Freiburg seit Jahren leider zu kurz.

EHCF: Im Gegensatz zu anderen Bittstellern trat der EHC mit seinen Wünschen immer höflich zur Seite, wenn es aus dem Gemeinderat hieß: „Wir verstehen Euch, aber jetzt geht´s leider nicht.“ Also hat der EHC gewartet. Dieses Warten dauert inzwischen Jahrzehnte. Welche Botschaft nimmst Du mit in den Rat, falls Du gewählt wirst?

MM: Ich würde Alle daran erinnern: Es gibt zwei Gemeinderats-Beschlüsse zum Neubau einer Eishalle. Nichts davon wurde umgesetzt. Stattdessen folgte ein dritter Ratsbeschluss. Und der sieht vor, dass der EHC 12 Millionen Euro bringt, 25% der Unterhaltskosten trägt und null Mitspracherecht hat. Das ist unglaublich, das gibt es in ganz Deutschland kein zweites Mal. Kein Verein jenseits vom Fußball wäre in der Lage, das zu ermöglichen. Aber mit solchen Themen muss sich der Vorstand des EHC plagen, wo alle im Ehrenamt arbeiten. Ein Theater bekommt 30 Millionen jährlich. Für den Betrieb der Eishalle, in der vor allem Nachwuchs und Publikumslauf unterwegs sind, bekommen wir dagegen nur ein Hundertstel von dem, was das Theater bekommt. Obwohl die Eishalle das meistgenutzte öffentliche Gebäude der Stadt Freiburg ist. Soviel zur Klientelpolitik. Hier wird der neue Gemeinderat gefordert sein.

EHCF: Was würdest Du im Gemeinderat anders machen?

MM: Ich persönlich werde mit jedem Gemeinderat und jeder Fraktion freundlich, tolerant, höflich und offen umgehen. Ich werde mir ihre Argumente anhören, so wie ich mir wünsche, dass auch meine Argumente gehört werden. Ich würde mir aber immer drei Fragen stellen: Wieviel nehme ich ein? Was gebe ich aus? Müssen wir jeden Wunsch jedes Klientelgrüppchens erfüllen? Denn machen wir uns nichts vor: Die Stadt Freiburg muss den Gürtel bald enger schnallen! Es wird Zeit, dass sich alle ehrlich machen, besonders beim Thema Wohnen. Das ist ein Grundrecht aller Bürger. Aktuell ist dabei aber ein Punkt erreicht, an dem es auch um den sozialen Frieden geht. Da werden Leute mit Ahnung gebraucht und nicht Ideologen.

EHCF: Welche zwei Schlagzeilen würdest Du Dir in naher Zukunft in der BZ wünschen?

MM: „Freiburg hat seinen Schuldenstand durch Verkäufe durch Bauland unter 1 Milliarde gedrückt“. Und: „Freiburgs Gemeinderat beschließt ein Investitionsprogramm zu Sanierung und Neubau von öffentlichen Einrichtungen, Schulen, Sportanlagen und Schwimmbädern in Höhe von 250 Millionen Euro – inklusive Neubau einer Eishalle!“


EHCF: Hallo Werner, Du bist seit ewigen Zeiten im EHC. Jetzt drängt es Dich in die Politik. Warum?

Werner Karlin: Mich drängt es nicht in die Politik allgemein. Mir liegt aber daran, im jetzigen Wahlkampf die Stimme des Sports zu akzentuieren. Deshalb freue ich mich, dass auch bei anderen Gruppierungen Vertreter des Sports kandidieren. Mein Eindruck ist, dass Freiburg nicht das ist, was es gern sein möchte – eine Sportstadt. Im Gegenteil: Hier wird der Sport leider sehr stiefmütterlich behandelt.

EHCF: Du stehst bei der SPD auf Platz 32. Was verbindet Dich mit der SPD?

WK: Das war eine Bauch-Entscheidung. Seit meiner Schulzeit fühle ich mich „links-grün versifft“; damals hat das nur niemand so genannt. Außerdem habe ich seit langer Zeit Kontakt mit Julia Söhne und Stefan Schillinger von der SPD, die sich für die Belange des Eissports und die Hallenfrage stark machen. Ich weiß, dass es solche unterstützenden Kräfte auch bei anderen Parteien und Gruppierungen gibt. Aber insgesamt steht mir die SPD am nächsten, auch wenn ich nicht ihr Mitglied bin.

EHCF: Welche Botschaft nimmst Du mit in den Gemeinderat, falls Du gewählt wirst?

WK: Ich denke, dass sich viele Menschen in Freiburg andere Schwerpunkte in der Stadtpolitik wünschen, als sie bisher gesetzt werden. Sicherlich dominiert auch in Freiburg das finanziell Machbare. Aber es muss mehr Entscheidungen geben, die den Wünschen der Bevölkerung entsprechen. Dazu gehört auch die Frage der Eishalle. Eine Stadt wie Freiburg braucht aufgrund der Vielfalt ihrer Einwohner einfach vielfältige Sportmöglichkeiten. Da beziehe ich sämtliche Eissportarten ein, und alle Menschen, die Eissport betreiben wollen.

EHCF: Und Du hast das Gefühl, dass viele Gemeinderäte das anders sehen?

WK: Wenn sie über Eissport reden, haben viele Gemeinderäte nur die Profis im Blick. Immer wieder vergessen sie oder ignorieren bewusst, dass wir Hunderte von Nachwuchskindern, Parasportlern und Eiskunstläufer haben. Dass wir längst eine Damenmannschaft aufbauen wollen, aber keine Eiszeit dafür haben. Dass Freizeitmannschaften und Eisstockschützen gerne mehr Eiszeit hätten. Und beim Publikumslauf für die Allgemeinheit haben wir Nutzungszahlen, von denen andere städtische Einrichtungen nur träumen können. Keine einzige dieser Gruppen kann aber ihren Sport unter Bedingungen ausüben, die im Fußball bereits unterklassig oder im Freizeitbereich ganz normal sind.

EHCF: Welche zwei Schlagzeilen würdest Du Dir in naher Zukunft in der BZ wünschen?

WK: „Die Freiburger Eishalle wird mit einem Länderspiel gegen die Schweiz eingeweiht.“ Und „Die Wölfe schlagen die Wild Wings im DEL-Halbfinale in Spiel 7 mit 3:2 nach Verlängerung!“

Am 9. Juni 2024 finden in Freiburg die Europa-, die Gemeinderats- und die Ortschaftsratswahlen statt. Weiter Informationen zu den Wahlen gibt es auf www.freiburg.deFreiburg, geh wählen!

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